Die Disney-Methode ist eine Kreativmethode zum Entwickeln von Lösungen. Der Name der Methode bezieht sich auf den Zeichentrick-Pionier und Filmproduzenten Walt Disney. Einer Legende zufolge habe Walt Disney nämlich nicht nur eine Persönlichkeit gehabt, sondern drei. Das sei das Geheimnis seiner Genialität gewesen. Die Disney-Methode greift diese Idee der drei Persönlichkeiten auf.
Die drei unterschiedlichen Persönlichkeiten sind: der Träumer, der Realist und der Kritiker. Die weibliche und non-binäre Form dieser Rollen ist damit selbstverständlich mit gemeint. Ausgangspunkt der Methode ist ein Problem oder ein Ziel, welches erreicht werden soll. Hiervon ausgehend werden dann im Verlauf der Methode unterschiedliche Lösungsideen und Heransgehensweisen von den drei Rollen diskutiert. Dabei werden die Rollen für gewöhnlich auf unterschiedliche Personen in einer Gruppe aufgeteilt, so dass alle Perspektiven vergeben sind und sich eigenständig äußern können.
| Rolle | Beschreibung |
|---|---|
| Träumer | Für den Träumer ist alles möglich. Diese Rolle kennt keine Risiken und Probleme |
| Realist | Der Realist denkt an das Tun und ist die Rolle, die die praktische Seite des Problems im Blick hat |
| Kritiker | Der Kritiker blickt kritisch auf die Lösungsidee, indem er auf Stolpersteine und Widersprüche aufmerksam macht |
Eine Lösung ist gefunden, wenn die drei Rollen einen Konsens gefunden haben, d.h. eine Lösung ohne versteckten oder offenen Widerstand. Um herauszufinden, ob die Lösungsidee auch tragfähig ist, kann diese Methode mit dem Systemischen Konsensieren ► kombiniert werden. Durch die Abfrage des Widerstandes gegen die Lösungsidee kann die Tragfähigkeit der entwickelten Lösungsidee überprüft und ggf. ein neuer Durchgang gestartet werden, um weitere Lösungsideen zu finden.
Wozu KI?
Es ist nicht immer einfach, eine Gruppe für diese Methode zu organisieren. Volle Terminkalender oder unterschiedliche Standorte können zu Konflikten führen. Auch fällt es dem einen oder anderen schwer, eine bestimmte Perspektive einzunehmen. Das kann an der eigenen Persönlichkeit liegen oder auch an geringer Erfahrung hinsichtlich bestimmter Denkweisen (Träumer:in etc.). Beide Probleme können manchmal umgangen werden, indem man die Methode alleine durchspielt. Allerdings geht dabei die Perspektivenvielfalt verloren. Zudem ist man auch im Solomodus nicht davor gefeit, beim Perspektivenwechsel an die eigenen Grenzen zu stoßen.
Mit den Möglichkeiten der großen KI-Sprachmodelle (LLMs) können wir hier ansetzen, indem wir die generative „KI“ durch ein geschicktes Prompting dazu bringen, für uns die Disney-Methode durchzuspielen. Das dauert nicht nur einen Bruchteil der Zeit einer echten Diskussion, sondern bringt durch das „Wissen“ der großen Sprachmodelle möglicherweise auch neue Aspekte mit in die Betrachtung ein.
Wie?
Du kannst das selbst ausprobieren, indem du ein Sprachmodell deiner Wahl auf einer dir zur Verfügung stehenden Plattform verwendest. Das folgende Beispiel wurde mit dem „Large“-Modell von Mistral AI↗ durchgeführt, da dieses Modell recht gut mit der deutschen Sprache zurechtkommt. Außerdem hat der Anbieter Mistral AI seinen Sitz in Europa (Paris) und unterliegt somit dem europäischen Datenschutz. Der Chat von Mistral AI↗ kann mit dem Modell „Large“ nach einer Registrierung (noch) kostenlos genutzt werden.
Eingabe
Die folgende Eingabeaufforderung enthält Variablen, die leicht an den eigenen Anwendungsfall angepasst werden können. Diese Variablen sind farblich markiert. Kopiere einfach den folgenden Text in das Eingabefeld des Mistral AI Chats↗. Voila! Dieser Prompt funktioniert natürlich auch mit ChatGPT↗.
Simuliere drei brillante, logische Experten, die gemeinsam ein Problem diskutieren. Diese drei Experten sind ein Träumer, ein Realist und ein Kritiker. Der Träumer geht davon aus, dass alles möglich ist und er sieht keine Risiken und Probleme. Der Realist betrachtet alles von der praktischen Seite, also wie man etwas umsetzen kann und was alles zu tun ist. Der Kritiker weist auf Stolpersteine und Widersprüche hin.
Jeder Experte erklärt ausführlich seinen Gedankengang in Echtzeit, berücksichtigt die vorherigen Erklärungen der anderen und gibt Fehler offen zu. Bei jedem Schritt verfeinert, wenn möglich, jeder Experte die Gedanken der anderen und baut darauf auf, und würdigt ihre Beiträge. Sie fahren fort, bis eine Lösung für das Problem gefunden ist. Zur Klarheit sollte deine gesamte Antwort in einer Markdown-Tabelle dargestellt werden. Das Problem lautet: Was für einen methodischen Zugang soll ich als Lehrkraft für das Thema "Fake-News" wählen?
Antwort
| Experte | Gedankengang |
|---|---|
| Träumer | Als erstes stelle ich mir eine Welt vor, in der alle Schüler in der Lage sind, Fake-News von echten Nachrichten zu unterscheiden. Ich denke, wir sollten einen interaktiven, spielerischen Ansatz wählen, bei dem die Schüler selbst Fake-News erstellen und dann versuchen, sie zu entlarven. Dies würde nicht nur Spaß machen, sondern auch das kritische Denken fördern. |
| Realist | Das klingt nach einer guten Idee, aber wir müssen bedenken, dass die Erstellung von Fake-News auch das Risiko birgt, dass die Schüler lernen, wie man Menschen manipuliert. Stattdessen könnten wir echte und gefälschte Nachrichten präsentieren und die Schüler bitten, die Unterschiede herauszufinden. Wir könnten auch Experten einladen, um über die Auswirkungen von Fake-News auf die Gesellschaft zu sprechen. |
| Kritiker | Ich sehe ein paar Probleme mit diesen Vorschlägen. Zunächst einmal könnte die Erstellung von Fake-News tatsächlich dazu führen, dass die Schüler lernen, wie man Menschen manipuliert. Zweitens könnte die Präsentation von echten und gefälschten Nachrichten dazu führen, dass die Schüler die gefälschten Nachrichten für wahr halten, wenn sie nicht richtig angeleitet werden. Schließlich könnte die Einladung von Experten die Schüler einschüchtern oder langweilen, wenn sie nicht richtig vorbereitet sind. |
| Träumer | Ich verstehe die Bedenken, aber ich denke, wir können sie lösen, indem wir sicherstellen, dass die Aktivitäten sorgfältig geplant und durchgeführt werden. Wir könnten zum Beispiel sicherstellen, dass die Schüler verstehen, dass die Erstellung von Fake-News nur ein Übungswerkzeug ist und dass es in der realen Welt unethisch ist. Wir könnten auch sicherstellen, dass die Schüler bei der Präsentation von echten und gefälschten Nachrichten richtig angeleitet werden, indem wir ihnen beibringen, wie man Quellen überprüft und wie man kritisch denkt. |
| Realist | Das sind gute Punkte. Wir könnten auch sicherstellen, dass die Schüler vor der Einladung von Experten gut vorbereitet sind, indem wir ihnen grundlegendes Wissen über Fake-News vermitteln und sie ermutigen, Fragen zu stellen. Wir könnten auch sicherstellen, dass die Experten interaktiv und ansprechend sind, indem wir sie bitten, Beispiele aus der realen Welt zu geben und Diskussionen zu führen, anstatt nur Vorträge zu halten. |
| Kritiker | Das klingt nach einem ausgewogeneren Ansatz. Ich würde jedoch vorschlagen, dass wir auch die Eltern der Schüler einbeziehen, da sie eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Werten und Ethik spielen. Wir könnten auch sicherstellen, dass die Aktivitäten altersgerecht sind, um sicherzustellen, dass die Schüler nicht überfordert werden. |
| Träumer, Realist und Kritiker | Wir sind uns einig, dass ein ausgewogener Ansatz, der interaktive Aktivitäten, die Präsentation von echten und gefälschten Nachrichten, die Einladung von Experten und die Einbeziehung der Eltern umfasst, der beste Weg ist, um das Thema „Fake-News“ zu unterrichten. Wir werden sicherstellen, dass die Aktivitäten sorgfältig geplant und durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Schüler nicht überfordert werden und dass sie die Botschaft verstehen. |
Erklärung
In dem oben vorgeschlagenen Prompt sind mehrere Prinzipien des „Prompt-Engineering“ enthalten, die sicherstellen, dass ein möglichst verwertbares Ergebnis erzielt wird:
- Gib dem Sprachmodell eine Aufgabe
„Simuliere drei brillante, logische Experten...“ - Sage dem Sprachmodell, welche Rollen es einnehmen soll (sog. Tree-of-Thoughts)
„Diese drei Experten sind..." - Gib dem Sprachmodell einen Kontext
„Der Träumer geht davon aus..." - Gib dem Sprachmodell eine Schritt-für-Schritt Anleitung (sog. Chain-of-Thought)
„Jeder Experte erklärt ausführlich..." - Gib dem Sprachmodell eine Endbedingung
„Sie fahren fort, bis eine Lösung..." - Sag dem Sprachmodell, wie das Ergebnis dargestellt werden soll
„Zur Klarheit sollte deine gesamte Antwort in einer Markdown-Tabelle ..." - Gibt dem Sprachmodell einen Einstiegspunkt für die Diskussion
„Das Problem lautet: ..."
Diese Struktur ist eine Kombination aus dem „Tree-of-Thoughts“ und dem „Chain of Thought“ Prompting. Beim „Tree-of-Thoughts“-Prompting wird der Prompt so gestellt, dass bei der Generierung eine Aufgabe in verschiedenen Teilaspekten bearbeitet wird. Beim „Chain of Thought“-Prompting schlägt der Prompt eine schrittweise Bearbeitung einer Aufgabe vor. Der obige Prompt kombiniert beide Strukturen, um die multiperspektivische Diskussion der Disney-Methode zu simulieren.
Kritische Anmerkung
Aus pädagogischer und erwachsenenbildnerischer Sicht wäre es natürlich wünschenswert, wenn jeder Mensch den Mut und das Selbstvertrauen hätte, sich dieser Methode zu öffnen und sich in die drei oben beschriebenen Rollen hineinzuversetzen. Aus pädagogischer Sicht ist es auch nicht wichtig, wie „gut“ oder „schlecht“ das Ergebnis der Methode ist, sondern der pädagogische Wert der Methode liegt im Prozess an sich, also im Austausch, im Gespräch und im Perspektivenwechsel.
Daher an dieser Stelle abschließend noch eine kritische Anmerkung. Auch wenn die Disney-Methode nahezu vollständig automatisiert werden kann, sollte für den Einsatz im pädagogischen Setting überlegt werden, inwieweit diese neue Möglichkeit des kreativen Denkens eine pädagogisch wertvolle Wirkung auf die Beteiligten bzw. auf die Nichtbeteiligten haben könnte.
Gibt es überhaupt einen sinnvollen Einsatz der KI-Variante der Disney-Methode in der Pädagogik oder der Erwachsenenbildung? Ja, das glaube ich. Denn es sind durchaus Widerstände und entsprechende Gründe denkbar, warum sich Menschen distanzierend und zurückhaltend gegenüber kreativen Prozessen verhalten. Diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, quasi „auf Knopfdruck“ kreativ zu sein, kann ihre Handlungsfähigkeit und damit ihre Selbstwirksamkeit stärken. Dadurch kann neuer Mut und Selbstvertrauen wachsen, wodurch Widerstände und Ängste abgebaut werden können.
Mehr dazu
Walt Disney-Methode ausführlich erklärt (Deutsch)
https://projekte-leicht-gemacht.de/blog/softskills/kreativitaet/walt-disney-methode-einfach-erklaert/
Erklärung des Tree-of-Thoughts-Prompting (Englisch)
https://www.promptingguide.ai/techniques/tot
Erklärung des Chain-of-Thought-Prompting (Englisch)
https://www.promptingguide.ai/techniques/cot
Credits:
Beitragsbild generiert mit aramintak/bandw-manga ↗
Text aufpoliert mit DeepL write ↗